Wann droht Gefängnis bei Steuerhinterziehung?

Bei schweren Fällen ab 50 000 Euro Steuerhinterziehung (BGH, Az. 1 StR 373/15) drohen Haftstrafen, die das Gericht zur Bewährung aussetzen kann. Ab 100 000 Euro geht das nur in Ausnahmen (BGH, Az. 1 StR 416/08).

In Deutschland richtet sich die Strafhöhe für Steuerhinterziehung nach dem deutschen Steuerstrafrecht (Abgabenordnung – AO). Hier sind die möglichen Sanktionen:

Geldstrafe: Bei einer leichteren Form der Steuerhinterziehung kann eine Geldstrafe verhängt werden. Die Höhe der Geldstrafe hängt im Wesentlichen vom hinterzogenen Betrag ab.

Freiheitsstrafe: Bei schwerwiegenderen Fällen kann eine Freiheitsstrafe verhängt werden. Die Dauer der Freiheitsstrafe ist abhängig vom hinterzogenen Betrag und kann bis zu zehn Jahre betragen. Die Freiheitsstrafe kann wiederum zur Bewährung ausgesetzt werden.

Besonders schwere Fälle: In besonders schweren Fällen, beispielsweise wenn der hinterzogene Betrag sehr hoch ist, kann eine Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsentzug drohen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genauen Strafen von Fall zu Fall unterschiedlich sein können, und die Gerichte berücksichtigen verschiedene Faktoren wie die Höhe der hinterzogenen Steuern, die Dauer der Hinterziehung, eventuelle Geständnisse und Kooperationen mit den Behörden.

Es ist ratsam, im Falle von steuerlichen Problemen rechtlichen Rat einzuholen und sich an einen spezialisierten Anwalt wie Rechtsanwalt Dr. Arconada  zu wenden, um die besten Schritte für die jeweilige Situation zu besprechen. Steuerhinterziehung ist ein ernstes Vergehen, und die Konsequenzen können erheblich sein.

Wann droht nach der Rechtsprechung eine Haftstrafe?

Ein entscheidendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH St 61, 28) befasst sich mit dem Thema Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall, insbesondere in Bezug auf die Steuerverkürzung im großen Ausmaß und die Umsatzsteuerhinterziehung. Hier sind die wichtigsten Punkte und Leitsätze zusammengefasst:

  1. Großes Ausmaß bei Steuerverkürzung: Der BGH definiert ein großes Ausmaß im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bei jeder Steuerhinterziehung über 50.000 Euro.
  2. Änderung der Wertgrenze: Die bisherige Rechtsprechung, die eine Wertgrenze von 100.000 Euro für eine Steuerverkürzung im großen Ausmaß vorsah, wird aufgegeben. Die neue einheitliche Wertgrenze liegt bei 50.000 Euro.
  3. Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Betrug: Der BGH betont, dass Steuerhinterziehung und Betrug strukturelle Unterschiede aufweisen. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass für Steuerhinterziehung keine Vermögensverfügung oder Eintritt eines Vermögensschadens erforderlich ist.
  4. Erfolgsbezogenes Merkmal „in großem Ausmaß“: Das Merkmal „in großem Ausmaß“ bezieht sich auf den Erfolg der verkürzten Steuer und nicht auf die Art der Herbeiführung. Es soll sichergestellt werden, dass die Wertgrenze nicht durch die Art der Hinterziehung beeinflusst wird.
  5. Berücksichtigung der Einzelfallumstände: Trotz einer einheitlichen Wertgrenze von 50.000 Euro bleibt dem Tatrichter ausreichend Spielraum, die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen.
  6. Strafzumessung bei Bejahung des Regelbeispiels: Bei Bejahung des Regelbeispiels bleibt dem Gericht die Möglichkeit, innerhalb des Strafrahmens die Einzelstrafe zu variieren, z.B. wegen eines eingetretenen Gefährdungsschadens oder Steuerverlusts.
  7. Strohmann als leistender Unternehmer: Der BGH erklärt, dass auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum Hintermann jedoch auf dessen Rechnung handelt, als leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes betrachtet werden kann.

BGH: Ab EURO 100.000 nur in Ausnahmefällen keine Haftstrafe!

In einem Urteil hat der BGH (Az. 1 StR 416/08) im Bereich der Strafhöhenbemessung wegen Steuerhinterziehung weiter konkretisiert unter welchen Voraussetzungen eine Haftstrafe zu erfolgen hat. Hier sind die Kernaussagen des Urteils:

Grundlage der Strafzumessung

Die Strafhöhe bei Steuerhinterziehung richtet sich nach der persönlichen Schuld des Täters. Die Auswirkungen der Strafe auf das zukünftige Leben des Täters in der Gesellschaft sind zu berücksichtigen (§ 46 Abs. 1 StGB). Dabei müssen die Umstände, die für oder gegen den Täter sprechen, abgewogen werden, insbesondere die in § 46 Abs. 2 StGB genannten Umstände.

Bedeutung des Hinterziehungsbetrags:

Der Hinterziehungsbetrag ist ein wesentlicher Faktor bei der Strafhöhenbemessung. Die Höhe der verkürzten Steuern ist ein entscheidendes Kriterium (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Es wird betont, dass das Ausmaß allein nicht ausschlaggebend ist und jeder Fall individuell bewertet werden muss.

„Großes Ausmaß“ als Strafzumessungsfaktor:

Die Höhe des Hinterziehungsbetrags ist ein bestimmender Strafzumessungsgrund. Das „große Ausmaß“ muss jedoch nicht schematisch tarifmäßig für die Strafhöhenbemessung verwendet werden. Es bedarf einer Einzelfallbewertung, wobei vergleichbare Kriterien wie für Betrugstatbestände angewendet werden sollten.

Bestimmung des „großen Ausmaßes“:

Das Merkmal „in großem Ausmaß“ muss nach objektiven Maßstäben interpretiert werden. Der Senat schlägt vor, dass das Merkmal nur erfüllt ist, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt.

Indizwirkung des „großen Ausmaßes“:

Ein Hinterziehungsbetrag im sechsstelligen Bereich macht die Verhängung einer Geldstrafe nur bei gewichtigen Milderungsgründen schuldangemessen. Bei Millionenbeträgen kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei besonders gewichtigen Milderungsgründen in Betracht.

Milderungs- und Strafschärfungsgründe:

Die Indizwirkung des „großen Ausmaßes“ kann durch Milderungsgründe beseitigt oder durch Strafschärfungsgründe verstärkt werden. Hierbei spielen das Verhalten des Täters vor und nach der Tat, Geständnisse und die Nachzahlung verkürzter Steuern eine Rolle.

Insgesamt wird vom Bundesgerichtshof betont, dass die Strafzumessung immer auf den Einzelfall abgestimmt sein muss und verschiedene Kriterien, insbesondere das „große Ausmaß“, dabei berücksichtigt werden sollten.