Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 11.07.2023 – I R 21/20 in Bezug auf die Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft entschieden, dass der übernehmende Rechtsträger (als „neuer“ Organträger) auch dann die bereits beim übertragenden Rechtsträger (als „alter“ Organträger) erfüllten Voraussetzungen einer finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft übernimmt, selbst wenn die steuerliche Umwandlung nicht bis zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückdatiert wird.
Im konkreten Streitfall bestand ursprünglich eine steuerliche Organschaft zwischen der A-GmbH (Klägerin) als Organgesellschaft und der B-GmbH als Organträgerin. Nachdem die X-OHG im März 2015 sämtliche Anteile der B-GmbH erworben hatte, erfolgte im November 2015 die Verschmelzung der B-GmbH auf die X-OHG mit Rückwirkung zum April 2015. Die Klägerin, deren Wirtschaftsjahr bereits im Januar 2015 begonnen hatte, strebte an, für das gesamte Jahr 2015 als Organgesellschaft der X-OHG behandelt zu werden. Das Finanzamt lehnte dies ab, unter Berufung auf die Auffassung des Bundesfinanzministeriums. Es argumentierte, dass aufgrund des nachträglichen Umwandlungsstichtags im April 2015 die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in die (neue) Organträgerin (X-OHG) zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Klägerin noch nicht erfüllt gewesen sei. Die daraufhin eingereichte Klage war erfolgreich.
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts und betonte, dass nicht der steuerliche Umwandlungsstichtag, sondern eine spezielle Regelung des Umwandlungssteuergesetzes maßgebend sei. Diese Regelung, bekannt als „Fußstapfentheorie“, sieht einen umfassenden Eintritt des übernehmenden Rechtsträgers (X-OHG) in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers (B-GmbH) vor, einschließlich der finanziellen Eingliederung der Klägerin in die Organträgerin als Voraussetzung für eine steuerliche Organschaft. Darüber hinaus klärte der BFH, dass die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer steuerlichen Organschaft für ab dem Jahr 2014 beginnende Zeiträume in einem separaten Feststellungsverfahren mit bindender Wirkung für das Besteuerungsverfahren aller beteiligten Gesellschaften entschieden werden sollte.
Parallel dazu wurden drei weitere Urteile des BFH zu diesem Thema veröffentlicht (I R 36/20, I R 40/20 und I R 45/20), in denen die Fußstapfentheorie auch auf andere Umwandlungsvorgänge angewandt wurde. Diese Serie von Urteilen klärt eine entscheidende Besteuerungsfrage im Kontext des Aufbaus von steuerlichen Organschaftsstrukturen bei gesellschaftsrechtlichen Umwandlungen und hat daher große Bedeutung für die Unternehmens- und Konzernpraxis.