Steuerhinterziehung bei Kindergeld

Steuerfahndung
Steuerfahndung

Die Familienkassen im im Zusammenhang mit der Festsetzung von Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) auch für die Verfolgung und Ahndung von Steuerstraftaten i. S. d. § 370 Abgabenorndung (AO) und Steuerordnungswidrigkeiten i. S. d. §§ 378, 379 AO zuständig. Ferner haben die Familienkassen im Strafverfahren im Zusammenhang mit Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz die gleichen Rechte und Pflichten wie die Finanzämter im Steuerstrafverfahren. Die Familienkassen unterliegen auch bei der Verfolgung von Steuerstraftaten und der Verfolgung und Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten der Fachaufsicht des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt).

Tatbestände des Steuerstrafrechts

Für Familienkassen hat vor allem der Straftatbestand des § 370 AO (Steuerhinterziehung) Bedeutung, der aufgrund seiner Spezialität dem § 263 StGB (Betrug) vorgeht. In dieser Strafvorschrift sind im Einkommensteuerrecht auch nur die Straftatbestände des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (Unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen) und des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Pflichtwidriges Unterlassen einer Mitteilung über steuerlich erhebliche Tatsachen) beachtlich. Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln (§ 15 StGB). Sind neben dem Täter weitere Personen an der Straftat beteiligt, ist die Strafbarkeit unter Berücksichtigung der §§ 25 ff. StGB (Täterschaft und Teilnahme) zu untersuchen.

Bei dem Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO handelt es sich um ein Erfolgsdelikt, das voraussetzt, dass der Täter im Zusammenhang mit der Festsetzung von Kindergeld nach Maßgabe der §§ 62 bis 78 EStG vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch nicht gerechtfertigte Steuervorteile (Kindergeld als Steuervergütung) erlangt. Eine Steuerverkürzung liegt auch dann vor, wenn Steuern vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Dies gilt auch, wenn Angaben des Berechtigten – etwa zu der Erwerbstätigkeit des Kindes – später überprüft werden sollen. Auf die Dauer des nicht rechtmäßigen Belassens der Vorteile kommt es nicht an.

Bei dem Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt, bei dem die vorsätzliche Verletzung der Handlungspflicht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 EStG (unterlassene Mitteilung von Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind) zur Folge hat, dass die Kindergeldfestsetzung unrechtmäßig bestehen bleibt. Stellt sich heraus, dass bei Änderung des Sachverhaltes die Mitteilungspflicht verletzt wurde, sich aber die Anspruchsgrundlage für die Kindergeldfestsetzung nicht ändert, ist der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt.

Beispiel: Stellt sich heraus, dass ein Kind, das seine Lehre abgebrochen hat, ohne dass dies der Familienkasse mitgeteilt wurde, unmittelbar anschließend ein Studium aufgenommen hat, so liegt keine Steuerhinterziehung vor.

Unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 Satz 2 EStG kann auch ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, eine Steuerhinterziehung begehen. Zur Abgabe von Strafverfahren gegen Heranwachsende (§ 1 Abs. 2 JGG) vgl. Nr. 154 AStBV (St). Eine weitere Handlungspflicht kann sich aus § 153 AO (Berichtigungspflicht bei unrichtigen oder unvollständigen Angaben) ergeben.

Tatbestände des Steuerordnungswidrigkeitenrechts

Im Zusammenhang mit der Festsetzung von Kindergeld als Steuervergütung ist der Bußgeldtatbestand des § 378 AO (Leichtfertige Steuerverkürzung) relevant. Der objektive Tatbestand des § 378 AO entspricht hinsichtlich Tathandlung und Erfolg dem des § 370 AO (Steuerhinterziehung). Die Vorschriften unterscheiden sich in erster Linie im subjektiven Tatbestand. Während der Tatbestand der Steuerhinterziehung Vorsatz voraussetzt, genügt für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 378 AO Leichtfertigkeit. Leichtfertigkeit ist eine besondere Form der Fahrlässigkeit und liegt vor, wenn jemand in besonders großem Maße gegen Sorgfaltspflichten verstößt und ihm dieser Verstoß besonders vorzuwerfen ist, weil er den Erfolg leicht hätte vorhersehen oder vermeiden können.

Wird vorsätzliches Handeln festgestellt, kann der Gesetzesverstoß (zunächst) nicht unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit, sondern grundsätzlich nur als Straftat verfolgt werden.

Ferner kann eine Anwendung der Vorschrift des § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (Vorsätzliche oder leichtfertige Steuergefährdung durch Ausstellen unrichtiger Belege) in Betracht kommen. Damit wird bereits die Vorbereitungshandlung zur Steuerhinterziehung nach § 370 AO bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO mit Geldbuße bedroht. Belege sind Schriftstücke, die eine Aussage über einen steuerlich erheblichen Sachverhalt enthalten, den Aussteller erkennen lassen und objektiv dazu geeignet und bestimmt sind, steuerrechtlich erhebliche Tatsachen im Rechtsverkehr zu beweisen. Ob der Kindergeldberechtigte den Beleg tatsächlich verwendet, ist unerheblich. Ein Beleg ist ausgestellt, wenn er in den Verfügungsbereich des Empfängers gelangt ist. Dies ist bei Fremdbelegen (nicht selbst ausgestellt) i. d. R. der Fall, wenn der Beleg dem Kindergeldberechtigten bzw. Antragsteller zugegangen ist. Bei Eigenbelegen (selbst ausgestellt) genügt es, den Beleg in den steuerrelevanten Geschäftsgang zu geben (z. B. Abheften im Kindergeldordner). Belege sind in tatsächlicher Hinsicht unrichtig, wenn sie eine Aussage über Tatsachen enthalten, die nicht der Wahrheit entsprechen, also eine schriftliche Lüge enthalten.

Im Rahmen des § 379 AO ist stets zu prüfen, ob der Aussteller des Belegs nicht als Tatbeteiligter an der Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung in Betracht kommt oder der Tatbestand des § 267 StGB (Urkundenfälschung) erfüllt ist. § 379 AO tritt hinter §§ 370, 378 AO, § 267 StGB zurück.

Anders als nach § 378 AO werden Tathandlungen i. S. d. § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht nur im Falle der Leichtfertigkeit, sondern auch bei vorsätzlichem Handeln als Ordnungswidrigkeiten bewertet. Der Versuch einer Steuergefährdung kann nicht geahndet werden (vgl. § 13 Abs. 2 OWiG).

§ 379 AO sieht im Gegensatz zu § 378 Abs. 3 AO eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige nicht vor. Im Falle einer späteren Berichtigung der ursprünglich unrichtigen Bescheinigung über den Arbeitslohn bzw. die Ausbildungsvergütung oder unrichtigen Bildung eines Freibetrags als Lohnsteuerabzugsmerkmal wird es jedoch in aller Regel geboten sein, im Rahmen von Opportunitätserwägungen (§ 47 Abs. 1 OWiG) von der Verfolgung der vorliegenden Ordnungswidrigkeit abzusehen.