Niedersächsischen Steuerfahndern ist ein Erfolg gegen mutmaßliche Steuerhinterzieher in der Asiagastronomie gelungen. Das berichtet unter anderem der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe. Der Strafverteitiger sowie Rechts- und Fachanwalt Arconada verteidigt in diesen Verfahren etliche der mehr als 1.000 Restaurantbetreiber, die nach dem Vorwurf der Ermittler eine Betrugssoftware für Kassen in ihren Restaurants eingesetzt hatten.
Steuerfahnder des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen Oldenburg (Steuerfahndung) haben in mehreren chinesischen Restaurants in Oldenburg, Wilhelmshaven und Friesoythe Razzien durchgeführt. Auch das Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen Braunschweig hat sich an der Razzia beteiligt. Die Steuerfahnder gingen dem Verdacht nach, dass in den Lokalen möglicherweise Steuern hinterzogen werden. Mehrere Restaurantbetreiber von China-Restaurants sitzt nach gesicherten Informationenderzeit in Untersuchungshaft.
Hintergrund der Razzia in dutzenden China-Restaurants
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt gegen zwei Brüder, die eine Betrugssoftware für Kassen in Restaurants vertrieben haben sollen. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ließ den 58-jährigen Siu Fan P. und den 56-jährigen Siu Hong P. wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung verhaften. Den 56 und 58 Jahre alten Männern wird Beihilfe zur Steuerhinterziehung sowie das Fälschen technischer Aufzeichnungen in acht Fällen vorgeworfen. Über die Eröffnung des Verfahrens entscheidet im weiteren Fortgang das Landgericht Osnabrück. Im Falle einer Verurteilung droht den Beschuldigten, die bereits seit Juli 2018 in Untersuchungshaft sitzen, eine mehrjährige Freiheitsstrafe.
Eine Kassensoftware namens „Multiway“ lies in Asia-Restaurants bereits ausgestellte Rechnungen spurlos aus der Buchhaltung verschwinden. Siu Fan P. soll in Gelsenkirchen eine Restaurantkasse mit dem Namen „Multiway“ programmiert haben. Diese besitzt ein verstecktes Programm, mit dem bereits ausgestellte Rechnungen spurlos gelöscht werden können. Sein jüngerer Bruder half ihm laut der Ermittlungen, die Geräte an Asiarestaurants zu verkaufen. Das Kassensystem wurde offenbar dabei über die Firma Multiway Technic & Trading GmbH aus Gelsenkirchen vertrieben. Mit den Kassen können Wirte ihre Umsätze zum Schein reduzieren und müssen so weniger Steuern zahlen.
Nach den Erkenntnissen der Steuerfahnder wurde die Multiway-Kasse in etwa tausend Restaurants bundesweit eingesetzt. In den vergangenen Monaten fanden in diesem Zusammenhang Durchsuchungen in betroffenen Betrieben statt, allein drei Dutzend in Niedersachsen. In allen Fällen habe sich gezeigt, dass die Umsatz-Manipulationsmöglichkeit tatsächlich genutzt wurde, heißt es aus Ermittlerkreisen.
Wie funktioniert die Multiway-Kasse?
Die in Nordrhein-Westfalen gemeldeten Beschuldigten sollen laut Staatsanwaltschaft ein computergestütztes Kassensystem mit der Bezeichnung „Multiway“ für Restaurants entwickelt haben, das rückstandsfreie Löschungen zulässt. Die Kasse ermöglicht demnach, Umsätze zunächst ordnungsgemäß zu erfassen und dann später zu stornieren.
Durch das Manipulationstool könne das Geld gezielt der Besteuerung entzogen werden, so die Staatsanwaltschaft. Acht Restaurantbetreiber unter anderem aus Nordhorn, Papenburg und Oldenburg sollen das Programm genutzt haben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft haben sie auf diese Weise in den Jahren zwischen 2012 und 2018 Steuern in Höhe von insgesamt rund sechs Millionen Euro hinterzogen.
Dunkelziffer könnte noch viel höher sein
Bundesweit könnten sogar mehr als 1.000 Restaurantbetreiber derart manipulierte Kassen benutzt haben, sagte Thorsten Stein von der Staatsanwaltschaft Oldenburg. Der entstandene Schaden sei nicht abschätzbar, die Dimension jedoch erheblich. Stein betonte, dass auch andere Staatsanwaltschaften informiert seien: „Wir haben das bundesweit gestreut.“
Die Ermittler werden nun die Kunden, die die Kassensoftware namens „Multiway“ eingesetzt haben besuchen. Dabei handelt es sich offenbar nach Erkenntnissen der Steuerfahnder um rund 1.000 Restaurantbetreiber. Den Ermittlern zufolge wurde die Software hauptsächlich in Asia-Restaurants durch eifrige Steuertrickser eingesetzt.
Bundesweite Ermittlungen gegen China-Restaurants
Derzeit gibt es bundesweite Ermittlungen gegen China-Restaurant-Betreiber, die „Multiway“ eingesetzt haben. So wurden auch fälle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen Braunschweig sowie des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen Hannover bekannt. Hintergrund sind offenbar die Ermittlungen gegen zwei Brüder, die derzeit von der Staatsanwaltschaft Oldenburg angeklagt werden Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben.
Neben diversen Durchsuchungen ist es zur Einziehung von Geldern gekommen. Durch die einziehung wurden die Konten von Restaurantbetreibern zunächst gesperrt. Das Rechtsinstitut der Einziehung bezeichnet im Strafrecht Deutschlands eine Rechtsfolge. Sie kann entweder der Abschöpfung von Taterträgen dienen, strafähnlichen Charakter haben oder nur dazu dienen, eine Gefahr abzuwehren. In den vorliegenden Fällen soll die Abschöpfung von Taterträgen dazu dienen den Steuerschaden zu kompensieren.
Bereits in der Vergangenheit gab es ähnliche Fälle mit hohen Haftstrafen
Das Landgericht Kasse verurteile beispielsweise im Jahr 2017 einen Koch zu einer hohen Freiheitsstrafe. Der 44-jährige ehemalige Inhaber eines China-Restaurants im Altkreis Kassel ist vom Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Die 3. Strafkammer befand ihn in sechs Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung und einmal der versuchten Hinterziehung für schuldig.
Zwischen 2006 und 2012 habe er, so Richter Winter in seiner Urteilsbegründung, dem Finanzamt Umsätze verschwiegen. Dazu bediente er sich eines manipulierten Kassensystems, bei dem auf Tastendruck mal 30, mal 50 Prozent des Tagesumsatzes einfach „verschwanden“.