Eine komplett strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO ist ausgeschlossen, wenn das Finanzamt die Steuerhinterziehung bereits entdeckt hat. Ist dies der Fall, lohnt die Selbstanzeige jedoch, um gegebenenfalls das Strafmaß (sogenannte Strafmaßverteidigung) zu mindern. Eine Selbstanzeige dient in einem solchen Fall daher die zu erwartende Strafe zu reduzieren. Durch eine umfasende Selbstanzeige kann sogar erreicht werden, dass ein Steuerstrafverfahren gegen Geldauflage eingestellt wird – zu einer Strafe kommt es in einem solchen Fall nicht.
Wann liegt ein Sperrgrund für eine Selbstanzeige vor?
Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO wird heute maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung im vorstehend verstandenen Sinne und weniger durch die subjektive Komponente bestimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 -). Der Steuerhinterzieher muss demnach im Einzelfall mit der Tatentdeckung auch dann rechnen, wenn er noch nicht sicher auf die erfolgte Tatentdeckung schließen kann; eine Restunsicherheit kann durchaus verbleiben.
Es genügt nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, wenn der Steuerhinterzieher aufgrund der ihm bekannten Tatsachen konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass seine Steuerhinterziehung entdeckt sein könnte. Diese am Wortlaut orientierte Auslegung wird durch die Systematik des § 371 Abs. 2 AO gestützt: In § 371 Abs. 2 Nr. 1a) AO hat der Gesetzgeber festgelegt, dass schon die Bekanntgabe einer (verdachtsunabhängigen) Prüfungsanordnung die Straffreiheit durch eine Selbstanzeige ausschließt. Genügt aber im Fall der Steuerprüfung schon die bloße Ankündigung, ohne dass die Finanzbehörden überhaupt einen Tatverdacht haben müssen, liegt es nahe, bei einer tatsächlich gegebenen Tatentdeckung durch die Steuerbehörden für die Versagung der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige ausreichen zu lassen, wenn der Täter die Entdeckung der Steuerhinterziehung nach seinem Kenntnisstand nur befürchten musste (vgl. AG Kiel, Urteil vom 27. November 2014 – 48 Ls 1/14, 48 Ls 545 Js 46477/13 (1/14)). Hinzu kommt, dass § 371 AO im Hinblick auf den Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch ohnehin restriktiv auszulegen ist.
Wann wird die Tatentdeckung angenommen?
Eine Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO wird daher angenommen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose dürfen dabei nicht überspannt werden, da diese regelmäßig noch auf einer schmalen Tatsachenbasis erfolgt. So ist weder ein hinreichender Tatverdacht erforderlich, noch dass der Täter der Steuerhinterziehung bereits ermittelt ist.
Für die Entdeckung der Steuerhinterziehung genügt es, dass konkrete Anhaltspunkte für die Tat als solche bekannt sind. Zwar reicht die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle alleine nicht für eine Tatentdeckung aus. Allerdings ist die Tat entdeckt, wenn weitere Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahelegen. Stets ist die Tat daher entdeckt, wenn ein Abgleich mit den entsprechenden Steuererklärungen stattgefunden hat. Tatentdeckung ist aber auch schon vor einem Abgleich denkbar, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.