Grundsteuer: Kann der Bodenwert durch ein Gutachten abweichend bewertet werden?

Im Rahmen der Grundsteuerreform fragen sich viele Grundstückseigentümer in Niedersachsen, ob sie den Bodenwert ihres Grundstücks durch ein unabhängiges Gutachten abweichend bewerten lassen können. Diese Frage ist vor allem für diejenigen relevant, die den Eindruck haben, dass der festgelegte Bodenrichtwert nicht die individuellen Gegebenheiten ihres Grundstücks widerspiegelt. In diesem Beitrag klären wir, was gesetzlich geregelt ist und welche Möglichkeiten Ihnen offenstehen.

Die gesetzliche Grundlage für die Bodenwertbewertung

Die Bewertung des Bodenwerts erfolgt nach den Bestimmungen des Niedersächsischen Grundsteuergesetzes (NGrStG) und den bundesrechtlichen Vorgaben der Grundsteuerreform. Gemäß § 5 Abs. 2 NGrStG basiert der Bodenwert auf den Bodenrichtwerten, die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte festgelegt werden. Die Bodenrichtwerte werden nach § 196 des Baugesetzbuchs (BauGB) ermittelt und dienen als verbindliche Grundlage für die Berechnung der Grundsteuer.

Ist eine abweichende Bewertung durch ein Gutachten möglich?

Grundsätzlich sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, den Bodenwert durch ein individuelles Gutachten abweichend zu bewerten. Die Verwendung von standardisierten Bodenrichtwerten ist ein zentraler Bestandteil des neuen Grundsteuersystems, da sie eine „einheitliche und gerechte Besteuerung“ gewährleisten sollen. Abweichende Bewertungen würden dieses Prinzip unterlaufen und den Verwaltungsaufwand erheblich steigern.

Theoretische Ausnahmen und Sonderfälle

Es gibt jedoch bestimmte Szenarien, in denen Sie eine Überprüfung oder Anpassung des Bodenwerts anregen können:

  1. Fehlerhafte Bodenrichtwerte: Sollte der von den Gutachterausschüssen festgelegte Bodenrichtwert nachweislich fehlerhaft sein, können Sie dies beim zuständigen Finanzamt oder der Gutachterausschussstelle hinterfragen. Ein unabhängiges Gutachten kann in solchen Fällen als Nachweis dienen, jedoch liegt die Entscheidung letztlich bei den zuständigen Behörden.
  2. Unbillige Härte: In seltenen Ausnahmefällen können Sie eine Anpassung des Bodenwerts aufgrund einer unbilligen steuerlichen Belastung beantragen. Hierbei ist jedoch darzulegen, dass der festgelegte Bodenrichtwert in Ihrem konkreten Fall zu einer erheblichen Ungleichbehandlung führt.
  3. Besondere Grundstücksmerkmale: Liegen spezifische Eigenschaften wie Altlasten, Denkmalschutzauflagen oder andere einschränkende Faktoren vor, könnte ein Gutachten zur Ergänzung der Bewertungsgrundlage herangezogen werden. Auch hier entscheidet das zuständige Finanzamt über die Anerkennung dieser Umstände. Da jedoch derartige Ausnahmen vom Gesetzgeber nur in seltenen Fällen gewollt und geregelt sind, wird eine abschlägige Entscheidung des Finanzamtes in den meisten Fällen dazu führen, dass eine Klage zum Finanzgericht erforderlich wird.

Wie beantrage ich eine Überprüfung des Bodenrichtwerts?

Wenn Sie der Meinung sind, dass der festgelegte Bodenrichtwert nicht zutreffend ist, sollten Sie wie folgt vorgehen:

  1. Prüfen Sie die Bodenrichtwertkarte: Die Bodenrichtwerte sind öffentlich einsehbar. Vergleichen Sie die Angaben für Ihr Grundstück mit denen umliegender Flächen, um mögliche Fehler zu identifizieren.
  2. Kontaktieren Sie die Gutachterausschüsse: Wenden Sie sich an den zuständigen Gutachterausschuss, um eine Überprüfung des Bodenrichtwerts zu veranlassen.
  3. Erstellen Sie (nach Rücksprache mit Ihrem Anwalt) ein Gutachten: Bei besonderen Gegebenheiten können Sie ein unabhängiges Gutachten erstellen lassen, das als Argumentationsgrundlage gegenüber dem Finanzamt oder aber vor dem Finanzgericht dienen kann.
  4. Antrag beim Finanzamt: Reichen Sie Ihren Antrag auf Überprüfung des Bodenwerts zusammen mit den relevanten Nachweisen beim zuständigen Finanzamt ein.

Fazit

Eine abweichende Bewertung des Bodenwerts durch ein Gutachten ist im Standardverfahren der Grundsteuer in Niedersachsen nicht vorgesehen. Die gesetzliche Grundlage stützt sich auf einheitliche Bodenrichtwerte, um eine „gerechte Besteuerung“ zu gewährleisten. In Ausnahmefällen, wie bei Fehlern oder besonderen Grundstücksmerkmalen, können Sie jedoch eine Überprüfung oder Anpassung anregen. Da gesetzlich keine Ausnahmen vorgesehen sind, bleibt in vielen Fällen nur die Klage vor dem Niedersächsischen Finanzgericht. Bei weiteren Fragen oder Unterstützung wenden Sie sich gerne an unsere Experten!