Viele Kanzleien werben mit einem Eintrag in der FOCUS-Bestenliste für Rechtsanwälte. Für Mandantinnen und Mandanten klingt das nach einer besonderen Auszeichnung, die Fachkompetenz und Qualität garantiert. Doch in Wahrheit ist die Liste vor allem ein redaktionelles Ranking – und kein offizielles Gütesiegel. Wer verstehen möchte, wie man in die Liste aufgenommen wird und warum die Nutzung des FOCUS-Siegels kostenpflichtig ist, sollte die Hintergründe genau kennen.
Wie funktioniert die Auswahl in die FOCUS-Bestenliste?
Die Erstellung der Bestenliste übernimmt das unabhängige Marktforschungsinstitut FactField im Auftrag von FOCUS. Jedes Jahr werden dafür mehrere tausend Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte und Inhouse-Juristen befragt. Sie sollen Fachkollegen empfehlen, die sie aufgrund ihrer Expertise weiterempfehlen würden.
Eigennennungen sind dabei ausdrücklich ausgeschlossen. Gezählt werden ausschließlich Kollegenempfehlungen. Wer eine bestimmte Mindestanzahl von Empfehlungen erreicht, wird in die FOCUS-Bestenliste aufgenommen. Zusätzlich markiert FOCUS Anwältinnen und Anwälte, die überdurchschnittlich häufig genannt wurden – zum Beispiel die Top 25 Prozent in einem Fachgebiet.
Wichtig zu wissen: Die Aufnahme in die Liste ist kostenfrei und erfolgt unabhängig davon, ob eine Kanzlei später ein Siegel erwirbt. Es gibt also keinen direkten Kauf einer Platzierung.
Warum das FOCUS-Siegel Geld kostet
Zwar ist der Eintrag in der Bestenliste kostenlos, doch wer die Nennung im Marketing nutzen möchte, muss eine Lizenz erwerben. Konkret bedeutet das: Das FOCUS-Siegel mit der Aufschrift „Top-Rechtsanwalt“ oder „Top-Kanzlei“ darf nur dann auf der Website, in Broschüren oder Anzeigen erscheinen, wenn dafür eine Lizenzgebühr gezahlt wird.
Die Preise richten sich nach Nutzungsdauer, Medium und Reichweite. Für ein Basispaket werden in anderen FOCUS-Siegel-Programmen beispielsweise rund 2.000 Euro pro Jahr fällig. Umfangreichere Pakete können deutlich teurer sein. Damit wird klar: Nicht die Aufnahme, sondern ausschließlich die werbliche Nutzung ist kostenpflichtig.
Warum die FOCUS-Bestenliste keine echte Auszeichnung ist
Auch wenn das FOCUS-Siegel auf den ersten Blick wie ein Gütesiegel wirkt, handelt es sich nicht um eine Auszeichnung im klassischen Sinn. Die Liste basiert auf einer Befragung innerhalb der Branche – es gibt keine objektive Qualitätsprüfung, keine Auswertung von Erfolgsquoten und keine staatlich anerkannten Prüfverfahren.
Hinzu kommt: Das Geschäftsmodell lebt davon, dass Kanzleien die Nutzungslizenzen erwerben, um die Empfehlung werblich sichtbar zu machen. Damit unterscheidet sich die FOCUS-Bestenliste deutlich von neutralen Zertifizierungen oder amtlichen Prüfsiegeln.
Gerichte haben mehrfach bestätigt, dass es sich um eine redaktionelle Empfehlung handelt. Das bedeutet: Die werbliche Nutzung ist erlaubt, solange nicht fälschlich der Eindruck erweckt wird, es handle sich um ein offizielles Prüfzeichen. Wer das FOCUS-Siegel als „Auszeichnung“ oder „Preis“ darstellt, bewegt sich dagegen auf rechtlich unsicherem Terrain.
Chancen und Risiken für Kanzleien
Für Kanzleien kann ein Eintrag in der FOCUS-Bestenliste durchaus Marketingvorteile bringen. Sichtbarkeit in einem bekannten Magazin stärkt das Vertrauen bei potenziellen Mandanten. Gleichzeitig birgt die werbliche Nutzung Risiken: Eine falsche Darstellung als „Auszeichnung“ oder „Prüfungssiegel“ kann als irreführende Werbung abgemahnt werden.
Kanzleien sollten deshalb transparent kommunizieren, dass es sich um eine Empfehlungsliste handelt und nicht um eine objektive Qualitätsprüfung. Seriöse Werbung setzt zudem auf nachweisbare Erfolge, echte Fachanwaltstitel, Zertifikate und vor allem zufriedene Mandantenbewertungen.
Fazit: Sichtbarkeit ja, Auszeichnung nein
Die Aufnahme in die FOCUS-Bestenliste für Rechtsanwälte ist eine Form der brancheneigenen Empfehlung. Sie kann die Sichtbarkeit einer Kanzlei erhöhen, ist aber keine echte Auszeichnung und schon gar kein amtliches Gütesiegel. Der eigentliche Geschäftszweck liegt in der Vermarktung der Siegel, die Kanzleien gegen Lizenzgebühren erwerben müssen.
Wer Mandantinnen und Mandanten überzeugen möchte, sollte daher nicht allein auf die FOCUS-Bestenliste setzen. Entscheidender sind fachliche Spezialisierung, Erfolge im Mandat und persönliche Empfehlungen.