Urteilsbesprechung: BFH, Urteil vom 28. Februar 2024, II R 25/21

In dem zugrundeliegenden Fall gründete die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Familienstiftung und übertrug darauf ein Vermögen in Höhe von 443.051 €. Das zuständige Finanzamt setzte die Schenkungsteuer unter Anwendung der Steuerklasse I und eines Freibetrags von 100.000 € fest. Die Klägerin war der Ansicht, dass ein höherer Freibetrag angewendet werden sollte, da der Übertrag in die Stiftung keine direkte Schenkung an eine dritte Person darstellte.

Rechtliche Problematik:

Der zentrale rechtliche Streitpunkt drehte sich um die Auslegung des Begriffs des „entferntest Berechtigten“ gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Die Klägerin argumentierte, dass dieser Begriff nicht auf potenzielle Urenkel anzuwenden sei, da diese zum Zeitpunkt der Stiftung noch nicht geboren waren. Sie vertrat die Auffassung, dass ein höherer Freibetrag für die Stiftung gelten müsse.

Entscheidung des Finanzgerichts und des BFH:

Das Finanzgericht und in der Revision der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigten die Auffassung des Finanzamts. Der BFH entschied, dass als „entferntest Berechtigter“ alle Personen gelten, die potenziell Vermögensvorteile aus der Stiftung erhalten könnten, unabhängig davon, ob diese zum Zeitpunkt der Stiftung bereits geboren sind oder nicht. Somit fallen auch potenzielle Urenkel unter diesen Begriff.

Begründung des BFH:

Der BFH stellte klar, dass der Begriff des „entferntest Berechtigten“ weit auszulegen ist. Die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG dient dazu, Missbrauch zu verhindern und sicherzustellen, dass die Steuervergünstigungen nicht durch die Gründung von Stiftungen umgangen werden können. Durch die Anwendung dieser Bestimmung auf potenzielle Urenkel wird verhindert, dass durch die Zwischenschaltung einer Stiftung höhere Freibeträge in Anspruch genommen werden können, als dies bei einer direkten Schenkung an fremde Dritte der Fall wäre.

Fazit:

Das Urteil des BFH verdeutlicht, dass die Übertragung von Vermögen in eine Familienstiftung unter der Annahme erfolgt, dass auch zukünftige Nachkommen, wie Urenkel, als potenzielle Berechtigte betrachtet werden müssen. Dies führt dazu, dass der niedrigere Freibetrag von 100.000 € gemäß Steuerklasse I zur Anwendung kommt. Die Entscheidung stärkt die Position des Finanzamts und stellt sicher, dass steuerliche Vorteile durch die Gründung von Stiftungen nicht übermäßig ausgedehnt werden können.

Redaktioneller Leitsatz:

Die Bestimmung des „entferntest Berechtigten“ gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG umfasst auch potenzielle zukünftige Nachkommen, wie ungeborene Urenkel, wodurch der niedrigere Freibetrag von 100.000 € zur Anwendung kommt, um Missbrauch durch Stiftungskonstruktionen zu verhindern.