Ein für einen Lohnsteuerhilfeverein im freien Mitarbeiterverhältnis tätiger Beratungsstellenleiter (§ 23 Abs. 3 StBerG) erzielt keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 EStG.
Der Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1981 aufgrund eines am 1. 1 1974 abgeschlossenen Vertrages für einen Lohnsteuerhilfeverein tätig. Nach diesem Vertrag war der Kläger zum alleinverantwortlichen Geschäftsstellenleiter einer der Bezirksstellen bestellt. Es war vereinbart, dass der Kläger seine Tätigkeit auf freiberufliche Weise i. S. des § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages ausüben solle. Das Honorar bestand in einem bestimmten Anteil des von den Vereinsmitgliedern zu entrichtenden Jahresbeitrages; es war in einer Zusatzvereinbarung mit durchschnittlich 80 vom H. der unterschiedlich hohen Jahresbeiträge festgelegt. Dem Kläger oblag die Werbung von Mitgliedern und deren fachliche Beratung und Betreuung im lohnsteuerrechtlichen Bereich (Beratungsbefugnis aus § 107 a Abs. 3 Nr. 4b der Reichsabgabenordnung – AO -). Der sich danach ergebende Beratungsbereich war vertraglich beschrieben mit der Bearbeitung der Anträge auf Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte und auf Durchführung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs sowie der Hilfeleistung in Veranlagungsfällen des § 46 des Einkommensteuergesetzes (EStG), soweit es sich dabei ausschliesslich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt.
Der Kläger ist nicht als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter zugelassen. Er hat im Streitjahr 1981 neben seiner Tätigkeit als Geschäftsstellenleiter des Lohnsteuerhilfevereins eine unselbständige Tätigkeit in einem anderen Bereich ausgeübt, da er vertraglich gegenüber dem Lohnsteuerhilfeverein sich verpflichtet hatte, jegliche anderweitige steuerliche Beratung zu unterlassen.
Die Erwägungen des Gerichts
Die Revision ist begründet.
Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, dass der Kläger mit seiner Tätigkeit als Leiter der Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat. Der Kläger arbeitet für einen Lohnsteuerhilfeverein, dessen Befugnis zu beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen (§ 4 Nr. 11 des Steuerberatungsgesetzes – StBerG -) in den §§ 13 bis 31 StBerG des näheren geregelt ist. In § 23 Abs. 1 StBerG ist bestimmt, dass die Hilfeleistung des Lohnsteuerhilfevereins nur durch Personen ausgeübt werden darf, die einer Beratungsstelle „angehören“. Wie der BFH (BFH) im Urteil vom 27. 7 1982 VII R 21/82 (BFHE 136, 438, BStBl 1982 II S.785) ausgeführt hat, wird mit dieser berufsrechtlichen Regelung bezweckt, die Fachaufsicht (§§ 27, 28 StBerG) sicherzustellen. Eine für den Lohnsteuerhilfeverein tätige (d. h. beratende) Person muss mit der jeweiligen örtlichen Beratungsstelle derart verbunden sein, dass eine ausreichende Kontrolle ihrer Tätigkeit sichergestellt ist; dies erfordert eine organisatorische Eingliederung in die Beratungsstelle.
Eine derartige Eingliederung verlangt nicht zwingend, dass sich die der Fachaufsicht unterworfene Person in einem Anstellungsverhältnis zum Lohnsteuerhilfeverein befinden muss, zumal allein hierdurch nicht ohne weiteres die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet ist. Jedenfalls ist dem berufsrechtlichen Erfordernis einer für die Fachaufsicht erkennbaren organisatorischen Eingliederung für den Fall des Leiters einer Beratungsstelle schon dadurch genügt, dass der Lohnsteuerhilfeverein dessen Bestellung oder Abberufung der aufsichtsführenden OFD (OFD) mitteilen muss (§ 23 Abs. 4 StBerG). Auch schliesst die in § 58 Abs. 2 Nr. 4 StBerG getroffene Regelung für die Tätigkeit von Steuerberatern in Lohnsteuerhilfevereinen eine Auslegung des § 23 Abs. 1 StBerG in diesem Sinne aus, dass einer Beratungsstelle nur Personen angehören können, die Arbeitnehmer sind. Der erkennende Senat sieht deshalb in der Vorschrift des § 23 Abs. 1 StBerG eine von berufsrechtlichen Gesichtspunkten geprägte Regelung, die es jedenfalls bezüglich des Leiters einer Beratungsstelle nicht ausschliesst, dass er auch als freier Mitarbeiter für den Lohnsteuerhilfeverein tätig sein kann.
Nach den getroffenen Vereinbarungen hat der Kläger seine Dienste als Leiter der Beratungsstelle erbracht, ohne Arbeitnehmer des Lohnsteuerhilfevereins zu sein. Zutreffend hat das FG hervorgehoben, dass das Gesamtbild von den für ein freies Mitarbeiterverhältnis sprechenden Umständen beherrscht wird. Die dem Kläger für seine Tätigkeit zufliessende Vergütung wurde allein aus den Jahresbeiträgen der Mitglieder im örtlichen Beratungsbereich gespeist, hing also voll von der Initiative des Klägers und der erfolgreichen Betreuung der Mitglieder ab. Aus dem ihm zustehenden Anteil an den Jahresbeiträgen des Beratungsbezirks hatte der Kläger die Kosten aller von ihm eingestellten Mitarbeiter zu bestreiten. Bei bestimmten nebenberuflichen Mitarbeitern war er sogar verpflichtet, diese als Arbeitgeber unter Übernahme aller damit verbundenen Pflichten einzustellen. Damit hing die Höhe der Einnahmen wesentlich davon ab, wie der Kläger seinen persönlichen Einsatz bei der Werbung und Betreuung von Mitgliedern gestaltete. Auf die Ausgaben übte er einen entscheidenden Einfluss durch die Organisation der Arbeit in der Beratungsstelle aus. Die ihm vertraglich auferlegte Pflicht, die Sprechstunden so abzuhalten, dass jedem Mitglied die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beratung gewährleistet war, ist mit der Annahme eines freien Mitarbeiterverhältnisses vereinbar. Dem Kläger wurden damit keine festen Arbeitszeiten auferlegt, sondern nur Weisungen zur Art und Weise seiner Beratungstätigkeit erteilt. Wie er dieser Weisung im einzelnen nachkam, blieb ihm unter Beachtung der örtlichen Verhältnisse selbst überlassen. Angesichts der Erfolgsabhängigkeit seiner Tätigkeit erübrigte es sich auch, hier regulierend einzugreifen.
Die den Kläger im übrigen treffenden Pflichten resultieren aus der Beachtung der gesetzlichen Auflagen, die das StBerG den Lohnsteuerhilfevereinen macht, und auf die die Lohnsteuerhilfevereine die Leiter ihrer Beratungsstellen gemäss § 26 Abs. 3 StBerG zu verpflichten haben. Es handelt sich um das Werbeverbot (§ 26 Abs. 1 StBerG), die Aufzeichnung von Einnahmen und Ausgaben sowie die Aufbewahrung von Belegen und sonstigen Unterlagen (§ 21 StBerG), die Beaufsichtigung von Mitarbeitern (§ 26 Abs. 3 StBerG) und die Auskunftspflicht und die Unterwerfung unter Geschäftsprüfungen (§§ 22, 28 StBerG). Die daneben noch bestehende monatliche Melde- und Abrechnungspflicht gegenüber der Bundesgeschäftsstelle berührt die sich nach diesem Gesamtbild ergebende Stellung des Klägers als freier Mitarbeiter des Lohnsteuerhilfevereins nicht.
Das FG hat die Auffassung vertreten, dass die selbständige Tätigkeit des Klägers der eines zugelassenen Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten ähnlich sei, da sie in gleichartiger steuerlicher Beratungstätigkeit bestehe. Nach ihrer Wesensart handele es sich in beiden Fällen um steuerberatende Tätigkeit im Sinne des StBerG. Verschiedenheit bestehe im Beratungsbereich, da sich hier der Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins auf die Lohnsteuerberatung beschränken müsse. Im Falle einer derartigen Beschränkung auf ein Teilgebiet des Katalogberufs komme es für die Ähnlichkeit darauf an, ob eine für die Ausübung der Teilberatungstätigkeit notwendige Berufsqualifikation vorliege. Der Berufsqualifikationsnachweis sei immer dann als erbracht anzusehen, wenn gesetzliche Zulassungsvoraussetzungen für die Ausübung der Teiltätigkeit vorlägen. Diese Zulassung sei im Streitfall mit der Bestellung des Klägers zum Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins ausgesprochen. Das Verhältnis dieses Beratungsstellenleiters zu einem Steuerberater sei vergleichbar mit demjenigen eines Rechtsbeistandes zum Rechtsanwalt.
Dieser Rechtsauffassung des FG kann nicht beigetreten werden, da sie die vom StBerG getroffenen Regelungen, in deren Gefüge der Beratungsstellenleiter steht, verkennt.
Die Hilfeleistung in Steuersachen kann unbeschränkt nur von dem in § 3 StBerG aufgeführten Personenkreis erbracht werden. Daneben regelt § 4 StBerG für bestimmte Personen, Vereinigungen und Institutionen die Befugnis zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen. So ist in § 4 Nr. 11 StBerG den Lohnsteuerhilfevereinen die Befugnis zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen zugesprochen worden. Zur Wahrnehmung dieser Befugnis hat der Lohnsteuerhilfeverein Beratungsstellen einzurichten; Personen, deren sich der Verein bei der Hilfeleistung in Lohnsteuersachen bedient (vgl. § 28 Abs. 1 StBerG), haben einer bestimmten Beratungsstelle anzugehören (§ 23 Abs. 1 StBerG). Der Leiter einer Beratungsstelle muss eine 3jährige hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiete des Lohnsteuerwesens vorweisen können (§ 23 Abs. 3 StBerG).
Aus der Gesamtheit dieser Regelungen ergibt sich, dass die Befugnis zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen dem Lohnsteuerhilfeverein zugesprochen wird. Seine Beratungstätigkeit ist die Wahrnehmung dieser Befugnis. Der Beratungsstellenleiter und alle übrigen Personen, deren sich der Lohnsteuerhilfeverein bedient, sind Hilfspersonen des Vereins. Sie üben selbst keine Beratungstätigkeit im Rechtssinne aus; vielmehr wird der Lohnsteuerhilfeverein durch sie beratend tätig. Die in § 23 Abs. 3 StBerG verankerte Qualifikation des Beratungsstellenleiters ist demgemäss keine Berufsausübungsregelung, sondern eine Beschäftigungsvoraussetzung, bei deren Verletzung sich nicht der Beratungsstellenleiter, sondern der Lohnsteuerhilfeverein berufsrechtlichen Aufsichtsmassnahmen aussetzt (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 i. vom m. § 20 Abs. 2 Nr. 2 StBerG). Der gemäss § 23 Abs. 5 StBerG gegenüber der OFD vom Lohnsteuerhilfeverein zu führende Nachweis über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 StBerG verschafft lediglich dem Lohnsteuerhilfeverein selbst die Voraussetzungen für seine Befugnis zur Beratungstätigkeit in der betroffenen Beratungsstelle und erschöpft sich hierin. Entgegen der Auffassung des FG wird mit der allein gegenüber dem Lohnsteuerhilfeverein ausgesprochenen Anerkennung nach § 13 Abs. 3 StBerG dem Beratungsstellenleiter keine Zulassung zur Ausübung steuerberatender Tätigkeit auf dem Teilgebiet des Lohnsteuerrechts zugesprochen. Das StBerG trifft keine Regelungen, die sich unmittelbar an den Beratungsstellenleiter wenden. Er ist lediglich als Hilfsperson einer zur (beschränkten) Steuerberatung befugten Institution angesprochen. Der Umstand, dass von Gesetzes wegen dem Beratungsstellenleiter keine Erlaubnis zur steuerberatenden Tätigkeit erteilt wird, entzieht auch dem vom FG angestellten Vergleich mit dem Rechtsbeistand die Grundlage. Da das FG-Urteil von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, war es aufzuheben.
Der Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins gehört keinem Berufe an, der dem des Steuerberaters bzw. Steuerbevollmächtigten ähnlich ist. Auszugehen ist von dem in ständiger Rechtsprechung vom BFH vertretenen Grundsatz, dass Katalogberuf und Vergleichsberuf in den für das Gesamtbild beider Berufe typischen Merkmalen übereinstimmen müssen. Hierzu hat der BFH mehrfach entschieden, dass bei Katalogberufen, deren Ausübung behördlicher Erlaubnis bedarf, diese notwendige staatliche Gestattung der Berufsausübung ein das Berufsbild des Katalogberufs derart prägendes Merkmal darstellt, dass ein zulassungsfreier Vergleichsberuf dem Katalogberuf nicht ähnlich ist. Gesetzliche Berufsordnungen, die nicht nur Bildungsgänge ordnen, sondern der Zulassung zur Berufsausübung Ausbildungsnachweise und Prüfungen zum Nachweis der fachlichen Qualifikation vorschalten, und die des weiteren die Berufsausübung reglementieren und staatlicher Beaufsichtigung unterwerfen (sog. verkammerte Berufe), sind auf wenige Berufsgruppen beschränkt, bei denen der Gesetzgeber der Sicherung fachgerechter Berufsausübung besondere Bedeutung zugemessen hat (vgl. zum Beruf des Steuerberaters Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 27. 1 1982 1 BvR 807/80, BVerfGE 59, 302). Die gesetzliche Ausgestaltung eines solchen Berufs bestimmt dessen Berufsbild in der Weise, dass daneben eine vergleichbare (ähnliche), aber zulassungsfreie Tätigkeit nicht vorstellbar ist, die zu einem eigenen Berufsbild führen könnte. Dies belegt im Streitfall die Betätigung des Klägers als Leiter der Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins. Für diese Tätigkeit braucht weder eine schulmässige Ausbildung noch eine Prüfung zum Nachweis der Qualifikation vorgewiesen werden. Es genügt der Nachweis einer 3jährigen hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiete des Lohnsteuerwesens. Diese Tätigkeit kann in verschiedener Weise ausgeübt worden sein, was auf den Umfang der erworbenen Kenntnisse eingewirkt haben sollte. Es ist angesichts dieser Ausgangslage schon nicht vorstellbar, dass die Tätigkeit als Beratungsstellenleiter eines Lohnsteuerhilfevereins in hinreichendem Masse solche Merkmale hervorbringen könnte, die ein konturiertes Berufsbild erkennen liessen. Dies ist eine zwangsläufige Folge der gesetzgeberischen Absicht, Steuerberatung im Regelfall den dazu berufenen fachlich qualifizierten Berufsgruppen, wie sie sich aus § 3 StBerG ergeben, vorzubehalten.
Für die in § 4 StBerG aufgeführten Personen, Vereinigungen und Institutionen ist denn auch die erlaubte beschränkte Hilfeleistung in Steuersachen kein das Berufsbild prägendes Merkmal, sondern eine mit der eigentlichen Aufgabe bzw. Betätigung in mehr oder weniger starkem Umfang verbundene Nebentätigkeit. Eine Ausnahme machen allerdings die in § 4 Nr. 11 StBerG angesprochenen Lohnsteuerhilfevereine, deren Betätigung sich in der Hilfe in Lohnsteuersachen erschöpft. Die für die Betätigung von Lohnsteuerhilfevereinen aufgrund der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen geschaffenen Vorschriften der §§ 13 bis 31 StBerG dienen allein der sachgerechten Erfüllung erlaubter Steuerberatungstätigkeit von Selbsthilfeeinrichtungen der Arbeitnehmer (vgl. Völzke, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A, 1975, 215, 217; Gehre, Steuerberatungsgesetz, § 13 Rdnr. 1). Wenn im Rahmen der Ausführungsvorschriften der §§ 13 bis 31 StBerG für Lohnsteuerhilfevereine die Existenz von örtlichen Beratungsstellen berücksichtigt und deren Besetzung mit Geschäftsstellenleitern vorgesehen ist, diente dies der fachgerechten Beratung von Arbeitnehmern und nicht der Schaffung eines Berufsbildes von Beratungsstellenleitern.
Aus den angeführten Gründen ergibt sich zugleich, dass der Kläger auch keine unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG fallende Tätigkeit ausgeübt hat. Weder ist eine gelegentliche Tätigkeit gegeben, noch liegt eine den angeführten Berufen des Testamentsvollstreckers, Vermögensverwalters und Aufsichtsratsmitgliedern wesensmässig verwandte, also eine ihrem Wesen nach verwaltende Tätigkeit vor. Ausserdem ist anzuführen, dass dem Kläger im Mitarbeitervertrag ausdrücklich die Pflicht zur Mitgliederwerbung auferlegt ist und bezüglich der Ausübung der übernommenen Arbeiten die Einstellung von Arbeitskräften vorgesehen ist.
BFH 4. Senat
Urteil vom 10. 12 1987
Aktenzeichen: IV R 176/85
Fundstele: BStBl. 1988 II S. 273