Die 30/70-Methode bezeichnet eine Form der Ausbeutekalkulation, die auf dem Getränkewareneinsatz basiert. Hierbei geht der Betriebsprüfer davon aus, dass Gäste in einem Restaurant üblicherweise zu einer Mahlzeit eine festgelegte Menge an Getränken konsumieren. Bei dieser Methode wird ein Verhältnis von 70 % Speisen zu 30 % Getränken angenommen. Indem der Betriebsprüfer die Anzahl der Getränke kennt, kann er mithilfe der 30/70-Methode auf die Anzahl der Speisen schließen, ohne eine separate Kalkulation für die Speisen durchführen zu müssen. Details wie die Größe von Fleischstücken oder der Einsatz bestimmter Gewürze werden dabei nicht berücksichtigt.
Anerkannt als legitime Schätzmethode
Die höchstrichterliche Rechtsprechung erkennt die Ausbeutekalkulation grundsätzlich als angemessene Schätzmethode an (vgl. BFH, Beschluss vom 11.1.2017 X B 104/16). Die „Schätzung auf Grundlage einer Getränkekalkulation“ wird als „eine geeignete Schätzungsmethode, die auf betriebsinternen Daten basiert“, betrachtet.
Beispiel: Zulässige Anwendung der Ausbeutekalkulation:
Annahme: In einem Restaurant mit einem ausgewogenen Angebot an Speisen und Getränken wird die 30/70-Methode angewendet. Der Betriebsprüfer geht davon aus, dass Gäste typischerweise zu 70 % Speisen und zu 30 % Getränke konsumieren. Dieses Verhältnis wurde über einen repräsentativen Zeitraum ermittelt und spiegelt die tatsächlichen Verhältnisse im Betrieb wider. Da es keine signifikanten Abweichungen in den Verkaufsmustern gibt und die Methode die betrieblichen Gegebenheiten korrekt widerspiegelt, ist die Ausbeutekalkulation in diesem Fall eine zulässige und praktikable Methode zur Schätzung der Speisenverkäufe auf Grundlage der Getränkeverkäufe.
Kritikpunkte und Einschränkungen
Trotz der Anerkennung durch die Rechtsprechung ist die Methode nicht immer optimal geeignet, insbesondere bei vielen Außerhausverkäufen, bei denen in der Regel keine Getränke mit verkauft werden. Ähnlich ungeeignet ist die Ausbeutekalkulation beispielsweise bei einem Metzger, der einen Mittagstisch anbietet zu dem jedoch die Kunden regelmäßig keine Getränke konsumieren. Zudem gestaltet sich die genaue Bestimmung von Schwund und Eigenverbrauch in vielen Fällen schwierig, da Faktoren wie Schankverluste oder verdorbenes Bier in der Leitung berücksichtigt werden müssen. Weiterhin können Getränke, die Mitarbeiter mit oder ohne Erlaubnis entnehmen, steuerlich nicht dem Gastronomen zugeordnet werden.
Beispiel: Unzulässige Anwendung der Ausbeutekalkulation
Annahme: In einem Café mit einem starken Schwerpunkt auf Kaffee- und Kuchenspezialitäten wird die 30/70-Methode angewendet, um die Anzahl der verkauften Kuchen basierend auf der Kaffeemenge zu schätzen. Der Betriebsprüfer geht davon aus, dass Gäste im Verhältnis von 30 % Kuchen zu 70 % Kaffee konsumieren. Jedoch werden in diesem Café viele Kuchen auch als Takeaway verkauft, ohne dass Kaffee mitgenommen wird. Die Ausbeutekalkulation berücksichtigt nicht die Besonderheiten des Außerhausverkaufs und führt daher zu ungenauen Schätzungen. In diesem Fall wäre die Ausbeutekalkulation unzulässig und könnte zu fehlerhaften steuerlichen Bewertungen führen.
Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse
Bei der Anwendung der Ausbeutekalkulationsmethode während einer Betriebsprüfung sollten Gastronomen darauf bestehen, das tatsächlich ermittelte Speisen-Getränkeverhältnis zu verwenden. Besonders wichtig ist dies, wenn für einen bestimmten Zeitraum ein anderes (günstigeres) Speisen-Getränkeverhältnis nachweisbar ist und keine (saisonalen) Besonderheiten im Prüfungszeitraum vorliegen. Gastwirte haben eine Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung.
Wie genau müssen die tatsächlichen Verhältnisse bei einer Ausbeutekalkulation durch den Betriebsprüfer berücksichtigt werden?
Diese Frage lässt sich allgemein nicht berücksichtigen. Denn bei der Ausbeutekalkulation durch den Betriebsprüfer müssen die tatsächlichen Verhältnisse sorgfältig und genau berücksichtigt werden, um eine präzise Schätzung vorzunehmen. Die genaue Vorgehensweise kann je nach den individuellen Gegebenheiten des Betriebs variieren, aber hier sind einige generelle Punkte, die der Betriebsprüfer beachten sollte:
- Betriebsinterne Daten nutzen: Der Betriebsprüfer sollte vorhandene betriebsinterne Daten wie Verkaufsprotokolle, Abrechnungen und Kassenbücher gründlich analysieren. Diese Daten bieten Einblicke in die tatsächlichen Verkaufsmuster und helfen bei der Ermittlung des tatsächlichen Verhältnisses zwischen Speisen und Getränken.
- Repräsentative Zeiträume wählen: Um die Schwankungen in den Verkaufsmustern zu berücksichtigen, ist es wichtig, repräsentative Zeiträume auszuwählen. Saisonale Unterschiede oder besondere Ereignisse können einen erheblichen Einfluss auf die Verhältnisse haben. Der Betriebsprüfer sollte sicherstellen, dass der gewählte Zeitraum die betrieblichen Bedingungen gut widerspiegelt.
- Außerhausverkäufe und Besonderheiten einbeziehen: Wenn der Betrieb Außerhausverkäufe oder andere besondere Verkaufsmodalitäten hat, sollten diese in die Kalkulation einfließen. Beispielsweise könnte die Ausbeutekalkulation für ein Restaurant anders gestaltet sein als für einen Imbiss mit hauptsächlich Außerhausverkauf.
- Mitwirkungspflicht der Gastwirte: Die Gastwirte haben eine Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsaufklärung. Sie sollten dem Betriebsprüfer alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen, um eine genaue Ausbeutekalkulation zu ermöglichen.
- Anpassung bei Veränderungen: Falls während des Prüfungszeitraums Veränderungen in den betrieblichen Abläufen auftreten, sollte der Betriebsprüfer diese berücksichtigen und gegebenenfalls Anpassungen an der Kalkulation vornehmen.
- Transparenz und Dokumentation: Die durchgeführten Schätzungen und die verwendeten Daten sollten transparent dokumentiert werden. Eine klare Nachvollziehbarkeit der Schätzungen ist wichtig für eine mögliche Nachprüfung und rechtliche Anerkennung.
Durch die sorgfältige Berücksichtigung dieser Faktoren kann der Betriebsprüfer sicherstellen, dass die Ausbeutekalkulation auf realistischen Annahmen basiert und zu akkuraten Ergebnissen führt. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass wenn der Prüfer nicht akribisch gearbeitet hat, die Ausbeutekalkulation angreifbar ist.